Bannerbild | zur Startseite Bannerbild | zur Startseite
Link zur Seite versenden   Ansicht zum Drucken öffnen
 

Symposium von Peter Lehmann & Stefan Weinmann: Fehlleitende Leitlinien, mangelnde Aufklärung und unterlassene Hilfe beim Reduzieren und Absetzen von Antidepressiva und Neuroleptika

Symposium von Peter Lehmann & Stefan Weinmann

 

Fehlleitende Leitlinien, mangelnde Aufklärung und unterlassene Hilfe beim Reduzieren und Absetzen von Antidepressiva und Neuroleptika – eine unzureichende Umsetzung von Menschenrechten

 

Vorveranstaltung zur Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) am Donnerstag, 14. November 2024, 10-12 Uhr

 

Mitdiskutantinnen & Mitdiskutant: Anna Emmanouelidou, Thelke Scholz, Stefan Vetter

Moderation: Peter Lehmann & Stefan Weinmann

 

Abstract:

Seit 1990 sind in Deutschland die außerhalb von Kliniken verordneten Tagesdosen von Antidepressiva um 800% und von Neuroleptika um 200% stetig angestiegen. Dabei sind diese Substanzen weit weniger wirksam als früher angenommen wurde. Angesichts dieses Missverhältnisses zwischen Verordnung und Wirksamkeit untersuchen wir die »Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression« (2022) und die »S3-Leitlinie Schizophrenie« (2019) und vergleichen sie mit den Leitlinien vom National Institute for Health and Care Excellence (NICE) aus Großbritannien.

 

Da in den deutschen Leitlinien ausführliche Texte und Bewertungen von unerwünschten Wirkungen, zur Häufigkeit und zum Umgang mit Entzugs- und Reboundproblematik, ebenso wie Empfehlungen zur Reduktion und zum Absetzen von Antidepressiva und Neuroleptika (Antipsychotika) und zu Behand- lungsalternativen fehlen, werden die Betroffenen einem erhöhten und vermeidbaren Gefahrenrisiko durch unbegleitete eigenständige und oft abrupte Absetzversuche ausgesetzt. Dies stellt einen Verstoß gegen das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit dar.

 

Damit fehlt auch Wissen zur Unterscheidung zwischen Absetz- bzw. Entzugsproblemen und einem echtem Wiederauftreten von typischen Symptomen und damit zu Psychopharmaka-assoziierten Krisen- fällen. Zusammen mit kaum vorhandener multiprofessioneller Vernetzung, zu wenig Home-Treatment- Teams, fehlender Anerkennung als einer Form von Medikamentenabhängigkeit und fehlender Abrechen- barkeit ärztlicher Leistungen zum fachgerechten Reduzieren von Psychopharmaka kann seitens des Fachgebietes von unterlassener Hilfeleistung ausgegangen werden. Damit wird eine Einbuße an Lebens- qualität bei Betroffenen und ihren Angehörigen hingenommen, verbunden mit erheblichen volkswirt- schaftlichen Schäden durch Überverordnung und zu lange Verabreichung von Psychopharmaka, was zu unselbstständigem Leben, verhinderter Teilnahme am Leben, Arbeitslosigkeit und Frühberentung führen kann. Dies muss dem Nutzen dieser Medikamente gegenübergestellt werden.

 

Psychopharmakafreie Behandlungsangebote und Unterstützungsprogramme für das Reduzieren und Absetzen von Psychopharmaka in der Regelversorgung müssen aufgebaut und allen Betroffenen zugäng- lich gemacht werden – wie dies auch die »Arbeitsgruppe Willkürliche Unterbringung« des UN-Menschen- rechtsrats, die UN-Behindertenrechtskonvention, die Weltgesundheitsorganisation und der Hohe Kom- missar der Vereinten Nationen für Menschenrechte fordern.

 

Einzelreferate

  1. Thelke Scholz: Begleitete Reduktionsversuche. Wie Herstellerinformationen, Behandlungsleitlinien und die Praxis der Reduktionsbegleitung oftmals auseinanderklaffen. Ein Bericht von der Einsamkeit der Menschen bei ihrer Medikamentenreduktion.

  2. Stefan Vetter: Rebound-Effekte erkennen. Fehlinterpretierte Reboundsymptome unterminieren die Chance für persönliches Wachstum. Wie man LangzeitpatientInnen nach dem Klinikaustritt beim Ausschleichen von Psychopharmaka ambulant unterstützen kann.

  3. Anna Emmanouelidou: Modell einer Begleitung bei absetzbedingten Krisen. Wie wir im Observatorium für Menschenrechte im Bereich der psychischen Gesundheit in Thessaloniki krisenhafte Situationen psychopharmakafrei und ohne Psychiatrisierung überwinden.

  4. Peter Lehmann: Menschenrechtliche Aspekte beim selbstbestimmten Absetzen. Die Forderungen der Weltgesundheitsorganisation und der UN-BRK nach strengeren Maßnahmen beim Aufklären über psychiatrische Behandlungsrisiken und nach Hilfen beim Absetzen

 

Kurzbios

Emmanouelidou, Anna. Dr. phil., MSc., Klinische Dipl.-Psych., Ausbilderin für systemische Psychotherapie, Gründungsmitglied des Observatoriums für Menschenrechte im Bereich der psychischen Gesundheit in Thessaloniki –

 

Lehmann, Peter. Dr. phil. h.c., Dipl.-Pädagoge, Autor, Verleger & Fortbildner. Inhaber des Antipsychiatrieverlags. Mitglied im FA Psychopharmaka der DGSP. Mitherausgeber von “Psychopharmaka reduzieren und absetzen” – www.peter-lehmann.de

 

Scholz, Thelke. EX-IN Trainerin und Dozentin in der Sozialpsychiatrie, Mitglied im Vorstand der DGSP und Sprecherin des Fachausschusses Psychopharmaka (ebenda), forschend an der Medizinischen Hochschule Brandenburg –

 

Vetter, Stefan. Pflegefachmann HF in der Schweiz. Unterstützt «Langzeitpatient_innen», die sich entschieden haben, ihre Psychopharmaka auszuschleichen. Sein Einsatz ist aufsuchend und beginnt direkt nach dem Klinikaustritt –

 

Weinmann, Stefan. Priv.-Doz. Dr. med. Dr. PH, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Volkswirt und Gesundheitswissenschaftler. Seit Juli 2023 Chefarzt der Psychiatrischen Klinik an der Lindenhöhe in Offenburg –

 

 

Ort: Bürgerhaus Zähringen, Lameystr. 2, 79108 Freiburg

Teilnahmegebühr: € 15.– Anmeldeformular